Hoffnungen der Väter sind berechtigt

«Die Hoffnungen der Väter sind berechtigt»

Bundesrichter Nicolas von Werdt weiss, wie die alternierende Obhut von Kindern bei getrennten Eltern klappen soll.

«Der Wunsch des Kindes muss berücksichtigt werden», sagt Bundesrichter Nicolas von Werdt. Foto: Franziska Rothenbühler

«Der Wunsch des Kindes muss berücksichtigt werden», sagt Bundesrichter Nicolas von Werdt. Foto: Franziska Rothenbühler

Seit Anfang 2017 gilt das neue Unterhaltsrecht. Damit wird eine Alimentenpflicht auch für ledige Betreuungspersonen eingeführt (Betreuungsunterhalt) sowie die alternierende Obhut, die geteilte Kinderbetreuung bei getrennt lebenden Eltern. Die Gerichte müssen diese prüfen, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt. Das Parlament betonte damit das Recht des Kindes auf eine Beziehung zu Vater und Mutter.

Einen Anspruch auf alternierende Obhut gebe es aber nicht, schrieben die Zürcher Gerichte in ihrem Leitfaden zum neuen Unterhaltsrecht.

Anders äussert sich nun Nicolas von Werdt, Präsident der zuständigen Abteilung am Bundesgericht. Seiner Ansicht nach muss die alternierende Obhut ermöglicht werden, wenn sie gewünscht wird und die vom Bundesgericht definierten Kriterien erfüllt sind.

Die Zürcher Gerichte haben einen Leitfaden für das neue Unterhaltsrecht verfasst. Was halten Sie davon?
Es ist gut, dass sich die Gerichte vor Inkrafttreten eines Gesetzes Gedanken machen, nach welchem Muster die Fälle behandelt werden sollen. Es muss aber jeder Fall einzeln geprüft werden. Problematisch wäre es, wenn sich ein Gericht im Urteil auf den Leitfaden berufen würde. Es geht ja darin vor allem um technische Details wie die Berechnung des Betreuungsunterhalts.

Manche Juristen kritisieren das neue Unterhaltsrecht als zu offen formuliert. Wie sehen Sie das?
Als Richter hätte ich mir präzisere Vorgaben gewünscht. Es gibt jährlich 16’000 Scheidungen, viele davon mit Kindern. Rund 500 Fälle landen am Bundesgericht, das sind vergleichsweise wenig. Und zwar deshalb, weil sich die Parteien an der klaren Rechtsprechung orientieren können. Die Gesellschaft hat insgesamt ein Interesse an klaren Regeln, weil nicht jeder Disput vor Gericht ausgetragen werden soll. Nur die hochstrittigen Fälle kommen ans Bundesgericht. Wir fällen die Leiturteile anhand von ausserordentlichen Konstellationen. Deshalb wird es nun eine Weile dauern, bis wieder Klarheit herrscht.

Die Zürcher Gerichte wollen gemäss dem Leitfaden jedenfalls bei getrennten Ehegatten an der 10/16-Regel festhalten. Der Bundesrat will, dass diese Regel überdacht wird. Was sagen Sie?
Die 10/16-Regel besagt, dass der bisher hauptbetreuende Ehegatte erst dann eine Erwerbstätigkeit aufnehmen muss, wenn das jüngste Kind 10-jährig ist; zunächst teilzeitlich und ab dem 16. Altersjahr voll. Diese Regel wurde im Interesse desjenigen Ehegatten entwickelt, der auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat, um die Kinder persönlich zu betreuen. Es ging um den Schutz des Vertrauens, das ein Ehegatte auf die Fortsetzung der während des Zusammenlebens gemeinsam vereinbarten Arbeitsteilung haben soll; Gedanken an das Kindeswohl standen nicht im Vordergrund. Ich stelle fest, dass das Bundesgericht in den letzten Jahren keinen Entscheid aufgehoben hat nur, weil von dieser Regel abgewichen wurde. Die Gesellschaft hat sich entwickelt. Meine persönliche Prognose ist, dass diese Regel fallen wird.

Der Bundesrat verlangt dies quasi in seiner Botschaft. Wie stark sind die Gerichte daran gebunden?
Ich nehme die Botschaft ernst. Wir haben am Bundesgericht die Aufgabe, neue Grundsätze zu prüfen, die sich für eine Regel eignen. Etwa die deutsche, wonach die persönliche Betreuung nur in den ersten drei Lebensjahren des Kindes im Vordergrund steht, nachher die Kita. Die schweizerische Sozialhilfekonferenz hat diese Grenze per Anfang 2017 sogar auf ein Jahr heruntergesetzt. Wenn das Kind einjährig ist, gilt eine Erwerbsarbeit grundsätzlich wieder als zumutbar. Es ist nun an der Rechtsprechung, ein neues Modell zu entwickeln.

Wird mit dem neuen Gesetz die Berufstätigkeit beider Elternteile gefördert?
Dies darf keine primäre Rolle spielen, die Maxime ist das Kindeswohl. Das Unterhaltsrecht besagt aber, dass die persönliche Betreuung gegenüber der Fremdbetreuung nicht vorzuziehen sei. Damit fördert das Gesetz im weiteren Sinn die Berufstätigkeit der Frauen. Die Mütter sollen demnach arbeiten, wenn sie können. Das ist aber ein Widerspruch zum Betreuungsunterhalt, der gleichzeitig eingeführt worden ist. Denn wenn die Mutter arbeitet und für ihren eigenen Unterhalt aufkommt, hat sie keinen Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Dann müssen nur die Kosten für das Kind und dessen Fremdbetreuung aufgeteilt werden. Zentral wird deshalb die Frage sein, wann es der hauptbetreuenden Person unter dem Aspekt des Kindeswohls zuzumuten ist, dass sie wieder arbeiten geht, und ob es quasi ein Wahlrecht gibt, ob sie das Kind selber betreuen will oder nicht. Die Gerichte müssen definieren, ob es dieses Wahlrecht gibt, und wenn ja, bis zu welchem Alter des Kindes.

«Der Wunsch des Kindes muss mitberücksichtigt werden.»

Den Begriff «Kindeswohl» hört man oft. Wissen die Gerichte, was dem Wohl des Kindes dient?
Es gibt Extremsituationen, in denen man es klar sagen kann. Etwa, wenn Gewalt im Spiel ist. Oder bei einem behinderten Kind, das eine gute persönliche Betreuung braucht. Aber sonst ist es schwierig. Kinderpsychologische Studien besagen Sachen, die Sie nicht gern hören würden. Etwa, dass bei Kindern mit Migrationshintergrund Fremdbetreuung von Vorteil ist. Weil sie dann integriert werden und nicht in ihrer Kultur haften bleiben. Oder dass man Kinder von weniger intelligenten Eltern besser von Dritten betreuen lässt als von den eigenen Eltern. Solche Kriterien werden höchstens in Extremsituationen in unsere Rechtsprechung fliessen.

Die Väter machen sich Hoffnungen, weil die alternierende Obhut neu gefördert werden soll. Wie berechtigt sind diese Hoffnungen?
Sie sind sehr berechtigt. Das Bundesgericht hat im letzten Herbst in zwei Leiturteilen die Kriterien dargelegt, anhand deren gemessen werden soll, ob die alternierende Obhut angezeigt ist: Erziehungsfähigkeit, geografische Distanz, bei kleinen Kindern die Möglichkeit der persönlichen Betreuung, Kooperationsfähigkeit und der Wille des Kindes.

Wird das Kind befragt?
Ja, das haben wir im Leiturteil so festgelegt. Der Wunsch des Kindes muss mitberücksichtigt werden. Man muss aber prüfen, ob dieser Wunsch echt ist oder beeinflusst. Denn jedes Kind in einer Trennungssituation ist in einem Interessenkonflikt. Es hat vermutlich beide Eltern gleich gern und will keinen enttäuschen. Der Wille des Kindes kann nur mittels Befragung durch eine Fachperson eruiert werden. Das neue Familienrecht wird vermehrt dazu führen, dass man den Kindeswillen abklärt.

Ein heikler Punkt ist wohl die Kooperationsfähigkeit. Wenn sich ein Elternteil querstellt, kann er die alternierende Obhut verhindern?
Der Umstand, dass sich ein Elternteil gegen eine geteilte Obhut wehrt, reicht nicht aus, um auf die Anordnung der geteilten Obhut zu verzichten. Sonst hätten wir ein Vetorecht, das wollen wir nicht. Doch wenn sich Eltern grundsätzlich und in anderen Kinderbelangen systematisch bekämpfen, ist die alternierende Obhut unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls fragwürdig.

Wenn ein Elternteil die alternierende Obhut nicht will, muss er also Obstruktion betreiben?
Das würde man merken, und solches Verhalten würde nicht geschützt. Wenn sich ein Elternteil nicht dem Kindeswohl entsprechend verhält, ist seine Erziehungsfähigkeit infrage gestellt. Diese wiederum ist Voraussetzung für die Zuteilung auch der alleinigen Obhut.

Wurde die Erziehungsfähigkeit schon einmal abgesprochen wegen Nichtkooperation?
Ja. Aber es braucht viel dafür. Wir hatten einen Fall, bei dem eine Frau verwarnt wurde, weil sie ihr Kind vom Vater abzuschotten versuchte. Die Bindungstoleranz, also die Bereitschaft eines Elternteils, die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil zu fördern, ist Bestandteil der Erziehungsfähigkeit.

Bei der Frage, wer die Kinder wie häufig sehen darf, ist Stabilität oft ein wichtiger Faktor. Da haben doch die Väter schon verloren – es gibt ja keinen Vaterschaftsurlaub.
Der Mutterschaftsurlaub allein begründet noch keine stabilen Verhältnisse. Die Frage ist, wie die Rechtsprechung mit Fällen umgehen soll, in denen die Väter während der Beziehung die Kinder nicht betreut haben, dies jedoch nach der Trennung tun wollen. In diesen Fällen kommt es darauf an, was die Beweggründe des Vaters waren. Warum hat er davor keine Betreuungsarbeit geleistet, warum will er jetzt? Wenn er beispielsweise voll erwerbstätig war, damit es der Familie finanziell gut geht, obwohl er die Kinder vielleicht gern mitbetreut hätte, dann fällt mit der Trennung seine Hauptmotivation für die Erwerbstätigkeit weg: die Familie. So scheint es legitim, wenn er sein Erwerbspensum reduziert und dafür sorgen will, weiterhin Kontakt zu den Kindern zu haben. Anders sähe es aus, wenn seine Erwerbstätigkeit ausschliesslich karrieristisch motiviert war oder wenn der Vater nur deshalb selber betreuen will, um weniger Unterhalt bezahlen zu müssen.

«Weil wir keine Studie als die richtige anschauen können, müssen wir jeden Einzelfall beurteilen.»

Das Gesetz besagt lediglich, dass die alternierende Obhut auf Wunsch geprüft wird. Laut den Voten im Parlament soll sie aber gefördert werden. Müssen die Gerichte die Materialien berücksichtigen?
Sie müssen sie berücksichtigen. Doch bei der alternierenden Obhut sollten sie nun auf unsere Rechtsprechung abstellen. Das Bundesgericht hat deutlich gesagt, worauf es ankommt.

Muss die alternierende Obhut auf Wunsch verordnet werden, wenn die Kriterien erfüllt sind? Oder können die Gerichte auch sagen: Es läuft doch ganz gut so, also lassen wir das Kind bei der Mutter?
Meine Prognose ist, dass man die alternierende Obhut ermöglichen muss, wenn sie gewünscht wird und die Voraussetzungen gegeben sind. Die Stabilität ist dabei lediglich ein Hilfskriterium.

Kann die alternierende Obhut in strittigen Fällen deeskalierend wirken?
Es gibt Studien, die das sagen. Doch weil wir keine Studie als die richtige anschauen können, müssen wir jeden Einzelfall beurteilen. Wo es keine Geldsorgen gibt, funktioniert die alternierende Obhut grundsätzlich besser. Manche sagen, mit höherem Bildungsniveau funktioniere sie besser und dauerhafter. Zu verstehen, dass man den Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil fördern muss, braucht eine minimale Intelligenz.

Fehlt den Eltern diese Intelligenz?
Sie ist nicht selbstverständlich, wenn ich unsere Fälle anschaue. Es gibt Personen, die man als intelligent einstufen würde, die aber kein Verständnis dafür haben, dass der Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil wichtig ist. Sie haben ein gestörtes Verhältnis zum Ex-Partner, von dem sie sehr enttäuscht sind, und können das nicht vom Kindeswohl abstrahieren. Wenn die alternierende Obhut wegen fehlender Kooperation nicht möglich ist und einer der beiden Elternteile diese Bindungstoleranz nicht hat, ist es denkbar, dass derjenige die alleinige Obhut bekommt, der den Kontakt zum anderen Elternteil fördert.

Wie wichtig ist es für das Kind, bei Vater und Mutter richtig zu wohnen, sie nicht nur zu besuchen?
Grundsätzlich ist es im Interesse des Kindes – unter der Voraussetzung, dass beide sich Zeit nehmen, sich um das Kind kümmern, sich um eine Beziehung bemühen. Wenn jemand das Kind vor den Fernseher setzt und Bier trinken geht, ist das wohl nicht die Idee.

(Tages-Anzeiger)

Erstellt: 13.03.2017, 21:03 Uhr
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Die-Hoffnungen-der-Vaeter-sind-berechtigt/story/24428591
Tags: Familienrecht – Schweiz  – Kindeswohl – Doppelresidenz – Wechselmodell

Ein neues Modell für das Sorgerecht – Neues Gesetz ab 1. Januar 2017

Das gemeinsame Sorgerecht ermöglicht zwar grundlegende Rechte, doch wird die Obhut über die Kinder meist noch immer nur einem Elternteil übertragen. Das soll sich nun ändern mit der alternierende Obhut.

29.12.2016
Tags: Doppelresidenz – Wechselmodell – alternierenden Obhut – Shared parenting – Familienrecht

Alte Schule verhindert Umsetzung der alternierende Obhut

Wie teilt man ein Kind?

Ein Vater kämpft für mehr Zeit mit seiner Tochter – erfolglos. Wie in seinem Fall sind Gerichte oft skeptisch gegenüber der abwechselnden Betreuung.

Natascha gehe es gut – also brauche sie auch nicht mehr Zeit mit dem Vater, befand das Gericht (Symbolbild). Foto: PhotoAlto, Laif

Natascha gehe es gut – also brauche sie auch nicht mehr Zeit mit dem Vater, befand das Gericht (Symbolbild). Foto: PhotoAlto, Laif

Natascha* war nicht geplant. Der Vater hatte schon erwachsene Kinder, und die Mutter war jenseits der 40. Beide waren beruflich stark engagiert und erfolgreich. Nicht, dass Natascha deshalb unerwünscht gewesen wäre. Im Gegenteil. Seit sie zur Welt gekommen ist, können Vater und Mutter nicht genug von ihr kriegen.

Das ist der schöne Teil der Geschichte. Der weniger schöne Teil sind Hunderte Seiten Gerichtsakten, die zwischen Vater, Mutter, Anwälten und Gerichten herumgereicht werden, Protokolle eines Streits, der mit allen Mitteln geführt wird. Es geht um die Zeit, die Natascha mit dem Vater verbringt.

Sie war noch ein Baby, als der Vater die Trennung beantragte. Es wurde bestimmt, wo sie wohnen soll (bei der Mutter) und wie häufig sie den Vater besuchen soll (etwa acht Stunden pro Woche). Am Anfang hat es ausgesehen, als werde man sich in Kindesangelegenheiten einigen. Dass Natascha im Säuglingsalter bei der Mutter wohnt, aber später auch beim Vater übernachten wird; so, wie es ihrem Alter und ihren Bedürfnissen entspricht. Doch die Hoffnung erfüllte sich nicht. Bald kommunizierten Vater und Mutter nur noch über die Rechtsanwälte miteinander. Die Mutter wollte dem Vater so wenig Besuchszeit wie möglich gewähren. Der Vater wollte mehr als ein paar Stunden. Das Gericht verfügte: ein paar Stunden.

In Skandinavien die Regel

Daraufhin beantragte der Vater die alternierende Obhut. Dieses Betreuungsmodell, bei dem das Kind bei jedem Elternteil mindestens ein Drittel seiner Zeit verbringt, will das Parlament fördern. Im neuen Unterhaltsrecht, das 2017 in Kraft tritt, ist die alternierende Obhut erstmals explizit erwähnt. Auf Wunsch eines Elternteils muss das Gericht – unabhängig vom Einverständnis des anderen Elternteils – prüfen, ob es für das Kind gut wäre, wenn Vater und Mutter die Betreuung aufteilen.

Eigentlich müssten das die Gerichte heute schon – zumindest gingen viele Parlamentarier davon aus, dass das neue Sorgerecht von 2014 dies vorschreibt. Doch die Gerichte hatten es anders aufgefasst, und die Lehre war unschlüssig, wie das Gesetz zu interpretieren sei. Deshalb wird die alternierende Obhut künftig als zu prüfende Be­treuungsform ausdrücklich erwähnt.

Die Schweiz tut sich schwer damit. Bei Gerichten und Kindesschutzbehörden herrscht die Ansicht, dass sich zerstrittene Eltern nicht organisieren können. Ähnlich sieht man es in Deutschland, anders in Frankreich und Skandinavien. Dort betreuen Vater und Mutter das Kind in der Regel gemeinsam.

Auch im Fall von Natascha wollen die Gerichte nichts von alternierender Obhut wissen. Es gebe keinen Grund dazu, sagen sie. Die Urteile zeigen, wie gross der Spielraum der Gerichte ist und wie stark die persönliche Meinung der Richter einfliessen kann. Es sei eine «pauschale Behauptung», dass die alternierende Obhut das beste Betreuungsmodell für Kinder getrennt lebender Eltern sei, heisst es in einem Urteil. Und: Die Gerichte seien trotz neuer Gesetze frei, die alleinige Obhut – und auch das alleinige Sorgerecht – zu verfügen.

«Bei manchen Gerichten herrscht alte Schule.»Martin Widrig, Universität Freiburg

«Bei manchen Gerichten herrscht alte Schule», sagt Martin Widrig, Assistent an der Universität Freiburg. Er schreibt eine Dissertation zur alternierenden ­Obhut, und er glaubt, dass sich bei diesen Gerichten kurzfristig wenig ändern werde. «Denn sie können sagen, was das Kindeswohl ist.»

Auch die Besuchszeiten für Nataschas Vater sollen nicht verlängert werden, befanden die Gerichte. Es bleibt bei den wenigen Stunden pro Woche. Die Begründung: Eine Änderung des Besuchszeitenregimes sei nicht nötig, denn dem Kind gehe es offenbar gut so. Es fühle sich beim Vater wohl, was zeige, dass eine Vater-Tochter-Beziehung auch mit wenigen Stunden Besuchszeit möglich ist. Dass Natascha sagt, sie wolle mehr Zeit beim Vater verbringen, lässt das Gericht nicht gelten: Kindesanhörungen seien erst ab 6 Jahren möglich, heisst es im Urteil, das dem TA vorliegt. Natascha ist 5. Nun entscheidet die nächsthöhere Instanz. Notfalls, sagt der Vater, würde er sich an den Gerichtshof für Menschenrechte wenden. Doch bis zu einem Urteil wäre seine Tochter ein Teenager.

Viele Väter machen diesen Weg gar nicht erst, weil er mühsam und teuer ist. «Nur ein kleiner Bruchteil stellt den Antrag auf alternierende Obhut», sagt Marcel Enzler, Präsident der Kindesschutzorganisation Schweiz (Kisos). «Ob sich ein Vater auf den Instanzenweg begibt, hängt meistens davon ab, ob er die ­Verfahrenskosten tragen kann.»

Konsens ist nicht mehr zwingend

Die Antragsteller sind also darauf angewiesen, dass auch die unteren Gerichtsinstanzen und die Kindesschutzbe­hörden offener werden. Martin Widrig glaubt, dass das «Eis gebrochen» sei. Allein der Umstand, dass die Gerichte die alternierende Obhut prüfen müssen, werde einiges ändern. Wichtig sei, dass der fehlende Wille eines Elternteils nicht mehr alleiniger Grund sein könne gegen die alternierende Obhut. So hat es das Bundesgericht im Mai 2015 festgelegt. «Das ist die grosse Errungenschaft dieser Gesetzesrevision», sagt Widrig.

Demnächst sagt auch der Bundesrat seine Meinung zur alternierenden ­Obhut. Nachdem das Parlament den ­Obhuts-Artikel ins Gesetz genommen hatte, verlangte es einen Bericht über das Betreuungsmodell, über Probleme und mögliche Lösungen. Die wissenschaftliche Grundlage für den Bericht liegt vor, erarbeitet haben sie die Rechtsprofessorin Michelle Cottier und der Soziologe Eric Widmer, beide von der Universität Genf. Das Fazit der Studie wird den Vätern wenig Freude machen, denn die Wissenschaft ist gegenüber der alter­nierenden Obhut skeptisch. Wie sich der Bundesrat dazu positioniert, ist offen.

Das alles betrifft Natascha sehr direkt und spielt sich doch weit weg von ihr ab. Sie wird weiterhin ein paar Stunden pro Woche beim Vater verbringen, ohne Übernachtungen, Wochenenden und Ferien. Vielleicht ändert sich das, wenn die Gerichte ihren Vater erhören. Oder wenn sie selber entscheidet, wann sie wo Zeit verbringt. Heute entscheidet sie, welche Kleider sie anzieht und welche nicht.

* Name der Redaktion bekannt

(Tages-Anzeiger)

(Erstellt: 07.10.2016, 23:16 Uhr)

Claudia Blumer, Inlandredaktorin,  07.10.2016

Was ist SHARED PARENTING ?

Das familienrechtliche Gesetz „shared parenting“ bezieht sich auf die gemeinsame Elternschaft und  bestimmt eine Kooperation in Obsorge oder Scheidung.
In diesem Familiengesetz haben beide Eltern das Recht und die Verantwortung bei der Erziehung ihres Kindes aktiv beteiligt zu sein (ern).
Der Begriff wird häufig als Synonym für das gemeinsame Sorgerecht verwendet.

Das gemeinsame Sorgerecht bedeutet nicht notwendigerweise eine gleiche, 50/50 Teilung der Zeit mit den Kindern, Kindergeld oder andere Fragen.

Das Familiengericht hat jedoch die Möglichkeit einen freigegebenen „Parenting-Plan“ zu genehmigen, dann haben beide Eltern den rechtlichen Status „Wohn-Eltern“ zu sein.

Müssen beide Eltern „shared parenting“ bei Gericht beantragen?
Nein. Mindestens eine Partei muss einen Antrag bei Gericht einreichen und die Freigabe „Parenting Dekret (Plan der geteilten Elternzeit)“ anfordern.

Es sei denn, wenn beide Parteien zustimmen dieser Anforderung zu verzichten, MUSS der Plan 30 Tage vor dem letzten Anhörungs-Datum eingereicht sein. Darüber hinaus muss das Gericht den Plan überprüfen und feststellen, dass der Plan im besten Interesse der Kinder ist.

Wenn das Familiengericht „shared Parenting“zustimmt, bedeutet das, dass die aktive Elternzeit mit dem Kind 50/50 aufgeteilt wird?

Nein. Die Aufteilung der Elternzeit kann jede Teilung der Elternzeit sein, die Parteien vorschlagen, und die das Gericht genehmigt.
Wenn jedoch eine angemessene Aufteilung der Elternzeit bestimmen wird, ist es wichtig, die Auswirkungen des Plans auf das Kind zu betrachten. Ein Erziehungsplan, der jeden Abend die Kinder in einem anderen Haus vorsieht und diese aus einem Koffer leben lässt, ist unwahrscheinlich von einem Gericht genehmigt zu werden. Ein besserer Ansatz ist ein Plan, der Zeit mit jedem Elternteil maximiert und und für Stabilität und Berechenbarkeit für die Kinder sorgt.

Wenn das Gericht „shared Parenting“ zustimmt, bedeutet das automatisch, dass keine Partei  Kindergeld (Unterhalt) bezahlen muss?
Nein. Das gleiche „Kindergeld-Arbeitsblatt“ wird zur Berechnung verwendet für das alleinige Sorgerecht und gemeinsamer Sorgerechtsfällen mit Unterstützung.

Wenn jedoch die Parteien zustimmen das Kindergeld zu senken, und das Gericht genehmigt niedrigeres Kindergeld , und findet es im besten Interesse der Kinder, kann Kindergeld niedriger sein als die Förderrichtlinien.

Wie wird das Gericht entscheiden, ob die gemeinsame Sorge  im besten Interesse der Kinder ist?
Das Gesetz verlangt, vor Gericht alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen, einschließlich, aber nicht beschränkt auf, erklärt die Faktoren in Ohio Revised Code Section 3.109,04 (F) ( 1) und alle der folgenden Faktoren:

  1. Die Fähigkeit der Eltern zusammenzuarbeiten und gemeinsame Entscheidungen zu treffen, in Bezug auf die Kinder;
  2. Die Fähigkeit jedes Elternteils, die Liebe, Zuneigung und den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu fördern;
  3. Jede Geschichte, oder Potenzial[1] (Straftat für schuldig verurteilt) für, Kindesmissbrauch, Ehepartner Missbrauch, andere häusliche Gewalt[1] (schuldig einer Straftat im Haushalt), oder die elterliche Entführung von beiden Elternteilen;
  4. Die räumliche Nähe der Eltern zueinander, wie die Nähe bezieht sich auf die praktischen Erwägungen der gemeinsamen Elternschaft;
  5. Die Empfehlung des Kurators des Kindes, wenn das Kind eine Verfahrenspflegerin hat.

Das Gesetz in Ohio besagt auch, dass, wenn ein Gericht die elterliche Rechte und Pflichten für die Betreuung von Kindern zuteilt, das Gericht einem Elternteil nicht den Vorzug geben darf aufgrund des Finanzstatus.

Admin Familie & Familienrecht – Family law,  März 2016
Quelle: http://www.cornwell-law.com/answers/shared-parenting-what-does-shared-parenting-mean-in-ohio/

PS: In der Schweiz nennt sich dieses Gesetz, wleches seit 1.Juli 2014 in Kraft ist, alternierende Obhut.
In Deutschland spricht man vom Wechselmodell und in Österreich von Doppelresidenz, jedoch fehlt das Gesetz noch.

Tags: Child custody – divorce  – Joint physical custody -Gesetze -Unterhalt – Straftat – Gleichberechtigung Gleichstellung