Stellungnahmen 3/SN-98/ME – zum Strafrechtsänderungsgesetz 2015

MMag. Dr. Wilfried Grießer

Als promovierter Philosoph, Mitglied der österreichischen Gesellschaft für Strafrecht und Autor der 2012 erschienenen umfassenden Studie „Verurteilte Sprache. Zur Dialektik des politischen Strafrechts in Europa“ (Franfurt am Main, 830 Seiten) erlaube ich mir, zu einigen Vorschlägen betreffend die Novellierung des StGB Stellung zu nehmen.
205Pograpschen §218 StGB §205

AUSZUG 

 Seite 2- 4:

Zu § 205a StGB:

Die Formulierung „ohne deren Einverständnis“ kann entgegen dem Slogan „Ein Nein der Frau muß genügen“ suggerieren, daß das Einverständnis der Frau explizit eingeholt werden muß und eine Person schon durch bloß „konkludente“ Vornahme eines Geschlechtsakts zum

 


3/SN-98/ME XXV. GP – Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version) 3 von 13

Straftäter wird. Zu empfehlen wäre eine Ersetzung durch „gegen deren Einverständnis“ bzw. „wider deren Einverständnis“.

 

Es erhellt von selbst, daß bei der Anwendung dieses Paragraphen Aussage gegen Aussage stehen wird, da objektivierbare Spuren von Gewalt nicht vorliegen.

 

Ein Problem entsteht ferner, wenn während eines laufenden Geschlechtsaktes das Einverständnis entzogen wird, der Mann aber bereits derart „in Fahrt“ ist, daß er nur durch energischeres Handeln gestoppt werden kann und hierbei zum Straftäter wird. Eine rechtsrichtige Durchführung des Geschlechtsaktes hat sich also des weiterhin bestehenden Einverständnisses regelmäßig zu vergewissern. Dadurch werden jedoch Situationen begünstigt, die den Entzug des Einverständnisses nach sich ziehen können (z.B. Lubrikations-probleme mit resultierender Dyspareunie), auf daß gerade das Bestreben nach rechtsrichtiger Durchführung des Geschlechtsaktes zu dessen rechtswidriger Durchführung führen kann.

 

Die Problematik der Einholung bzw. Erneuerung des Einverständnisses betrifft übrigens auch die Ehe, da das Strafrecht in keinster Weise darauf Bedacht nimmt, daß eine Eheschließung ein zeitlich überdauerndes grundsätzliches Einverständnis zum Geschlechtsakt beinhaltet, das während aufrechter Ehe insofern nie völlig außer Kraft gesetzt sein kann. (In den Worten Immanuel Kants: Die Ehe ist ein Vertrag zum wechselseitigen Gebrauch der Geschlechtsor-gane – vgl. Metaphysik der Sitten, § 24 ff.) Die Novelle des StGB vollzieht indes das genaue Gegenteil: Die Begehung eines Deliktes innerhalb einer Ehe stellt nach § 33 (3) Z.1 StGB hinkünftig sogar einen Straferschwerungsgrund dar!

 

Da das Strafrecht das Bestehen einer Ehe nicht nur ignoriert, sondern künftig sogar strafverschärfend wertet, droht § 205a zur „Munition“ in Scheidungsverfahren zu werden, wo die überzeugendere Inszenierung als Opfer über Schuld und Unschuld zu entscheiden droht. Ein Gericht mag zwar bei bestehender Ehe strengere Maßstäbe an die Verwirklichung dieses Tatbestandes anlegen, doch sobald das Gericht von dieser überzeugt ist, liegt paradoxerweise bereits ein Strafverschärfungsgrund vor. § 33 (3) Z.1 sollte vor diesem Hintergrund bei derartigen Handlungen nicht zur Anwendung gelangen dürfen.

 

  • 205a zielt auf Situationen ab, in denen eine Frau sich gegen einen konsenslos eingeleiteten Geschlechtsakt durch eine körperlich überlegene Person nicht zu wehren wagt, woraufhin § 201 StGB nicht verwirklicht wird. Dies ist der vernünftige Part dieses Paragraphen. In diesem Zusammenhang wäre übrigens § 321a StGB um „Verletzung der sexuellen Selbstbestim-mung“ zu ergänzen. Gerade im Zuge von Kriegshandlungen wird eine Frau – etwa schon aus Angst um ihre Familie – sich gegen eine Soldateska nicht wehren.

 

Dennoch steht bei § 205a als ein Subtext die Unantastbarkeit des „heiligen Wesens“ Frau ganz offenkundig Pate. – Hierzu eine allgemeinere Bemerkung: Schon Jesus nahm keine Frau, sondern ging ans Kreuz. Die „Zivilgesellschaft“ mit dem „Opfer Frau“ kann sich in ihrem universalen Anspruch mit Recht auf den Quell des Christentums berufen, um auch von ehedem bürgerlicher Seite mitgetragen zu werden. Der Mann muß jedoch die Frau „entheiligen“, denn er muß sich der Mutter entreißen, wie sie im Fall des christlichen Religionsgründers den Sohn überdauert, um ihrerseits nur noch den toten Sohn beweinen zu können. Die Frau als das unantastbare Wesen, dem die Wirklichkeit der Lust ermangelt, bleibt die Repräsentanz der Mutter. Auf daß der Mann sich als Mann setzt, muß er die Frau zum Ding bzw. zur „Ware“ herabsetzen, um jene Libido zu generieren, die die Frau auch fordert und genießt. Mitunter lieben es Frauen nachgerade, von einem ,wildgewordenen’ Penis „überfallen“ zu werden; und hierzu die Zustimmung einzuholen, weil die Frau als das personale Wesen genommen ist, wäre genau der Verlust dieses Reizes. Sexualität enthält insofern immer ein Element der Gewalt (im weitesten Sinn). Völlig gewaltfreie Sexualität zu

 


4 von 13                             3/SN-98/ME XXV. GP – Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version)

fordern, ist die Forderung nach Lustlosigkeit, die denn auch allen empirischen Studien zufolge massiv im Steigen begriffen ist.

In diesem größeren Kontext betrachtet, ist § 205a ein Schritt mehr zur Kriminalisierung (männlicher) Sexualität überhaupt und zur Beförderung kollektiver Depression, die sich sodann auch im ökonomischen Feld niederschlägt. Indes entsteht Kriminalität gerade dann, wenn der Mann nicht mehr Mann sein darf, zumal im Zeichen des Gender-Ansatzes schon die Zweigeschlechtlichkeit als „reaktionär“ angesehen zu werden droht.

 

Wie sehr dieser Subtext tatsächlich Pate steht, illustrieren die Erläuterungen: Geht es darum, „ein deutliches, aber doch maßvolles Zeichen zur Vorbeugung und Hintanhaltung sexueller Gewalt zu setzen“, so sei bemerkt, daß es nicht die Aufgabe des Strafrechts als einer ultima ratio ist, gesellschaftspolitische „Zeichen“ zu setzen.

 

Zu § 218 StGB:

 

Wie kaum anders zu erwarten war, soll auch das „Po-Grapschen“ Eingang in das Strafrecht finden. Auch hier gilt: Gibt es keine Zeugen, so steht Aussage gegen Aussage. Da das Bestehen einer Ehe nicht nur kein Milderungs-, sondern hinkünftig sogar ein Straferschwerungsgrund ist, werden gerade diesbezügliche, gegenüber § 205a niedrigschwelligere Vorwürfe verstärkt in Scheidungssituationen vorgebracht werden. Sind bei der behaupteten „Belästigung“ Kinder zugegen gewesen, ist im Übrigen sogleich ein weiterer Erschwernisgrund gesetzt.

 

Da der Begriff „sexuelle Sphäre“ unbestimmt ist (zu dieser könnte man durchaus auch den Mundraum zählen), sei vorgeschlagen, den Passus „oder eine nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung“ durch „oder eine nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, das Umfeld des Genitals betreffende körperliche Handlung“ zu ersetzen. Auch damit wären unerwünschte Berührungen des Gesäßes oder der (Innenseite der) Oberschenkel von § 218 StGB erfaßt.

 

Da das Berühren der Brüste einer Frau schon bislang als „geschlechtliche Handlung“ zählt, obwohl die Brüste nicht eigentlich zur Geschlechtssphäre zählen und erst im Zuge der Fortpflanzung an der Generativität partizipieren (Ernährung), bliebe dieses weiterhin strafbar.

Original weiterlesen –>
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SNME/SNME_02785/fname_392678.pdf