In den Fängen des Jugendamtes
Die Macht unserer Jugendämter scheint grenzenlos. Bereits bei geringen Auffälligkeiten wird Eltern die Obsorge für ihre Kinder entzogen. Wie der Wienerin Roswitha Blümel. Ihr Sohn wurde ins Kinderheim abgeschoben, wo er geschlagen worden sein soll. Der Bub ist kein Einzelfall.
Für die Kinderheim-Betreiber ist das ein gutes Geschäft. Ein fremd untergebrachtes Kind kostet den Steuerzahler 4.000 Euro pro Monat.

Roswitha Blümel hat die Verletzungen ihres Sohnes Christopher, 9, die von Schlägen aus dem Heim stammen sollen, dokumentiert.
Die äußerlich erkennbaren Wunden verheilen langsam, die Wunden an der Seele wohl nie. Vom Schädelbein- und dem Wangenbeinbruch ist kaum noch etwas zu erkennen, der Unterschenkelbruch verheilt noch unter dem Gips. Die zehnjährige Lisa-Marie sitzt im Rollstuhl. Sie hatte Glück im Unglück.

Seitdem Lisa-Marie, 10, aus dem Fenster des Kinderheimes St. Rafael gestürzt ist und schwer verletzt überlebt hat, besucht sie ihre Mutter Karin Herzog jeden Tag im Spital.
Vor drei Wochen wurde das Mädchen mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Wiener Donauspital eingeliefert, nachdem sie aus dem Badezimmerfenster im zweiten Stock des Kinderheimes St. Rafael neun Meter in die Tiefe gestürzt war. „Ich wollte nach Hause zur Mama“, sagt das Mädchen, das an einer leichten Form von Autismus leidet und seit dem Jahr 2007 im Heim untergebracht ist. In dem von den Benediktinerinnen der Anbetung geführten Heim für behinderte oder durch zerrüttete Familienverhältnisse belastete und in ihrer Entwicklung verlangsamte Kinder, so die Eigenwerbung der kirchlichen Einrichtung, erging es dem Mädchen schlecht. Lisa-Marie wurde von einer Betreuerin geschlagen. Bis sie es nicht mehr aushielt. Da der Weg in die Freiheit versperrt war, blieb ihr nur die Fluchtmöglichkeit aus dem Fenster.
„Meine Tochter sagt, sie sei aus Angst vor einer neuen Betreuerin im Heim gesprungen“, erklärt die Mutter Karin Herzog und fordert eine Aufklärung des Falles. Eine Betreuerin namens „Anita“, die erst seit Kurzem in dem Heim beschäftigt sein soll, habe Lisa-Marie auch mit der Faust geschlagen. „Das hat sie uns am Wochenende vor dem Fenstersturz noch erzählt, als sie bei uns zu Hause war. Meine älteste Tochter hat blaue Flecken auf Lisa-Maries Arm entdeckt und sie darauf angesprochen“, schildert Herzog geschockt.
Prügel für die Kinder scheinen in dem Wiener Heim zum Tagesablauf zu gehören. Denn immer mehr Fälle von
Misshandlungen werden bekannt. „Alle Kinder, die neu ins Heim kommen, werden geschlagen“, erzählt ein Bub im Gespräch mit Eva Nowatschek, der Präsidentin der Opferoffensive Snap-Austria. Gleichzeitig gibt der Bub unter anderem auch an, dass sein neunjähriger Heimkollege Christopher Blümel von einer Betreuerin geschlagen und mit dem Kopf in den Polster gedrückt wurde.
Er ist ein wichtiger Zeuge, denn die Mutter des gequälten Buben, Roswitha Blümel, hat bereits einen Anwalt beauftragt, gegen das Heim vorzugehen. „Mein Sohn hat mir diesen Vorfall erzählt und gemeint, dass er sich nur noch durch einen Fußtritt gegen die Betreuerin zur Wehr hat setzen können.“

Roswitha Blümel ist davon überzeugt, dass ihr Sohn zu Hause besser aufgehoben wäre als im Heim und der Jugendpsychiatrie.
Roswitha Blümel ist in die Mühlen des Jugendamtes geraten und kämpft seit November um ihren Sohn. Sie hat sich vom Kindsvater getrennt. Es kam zu Streitereien. „Er bombardierte mich mit Anrufen und hat uns ständig auf offener Straße aufgelauert. Das hat Christopher arg zugesetzt. Es fiel ihm schwer, sich in der Schule zu konzentrieren und stillzusitzen. Als er dann eines Tages ein Kabel aus einem Computer gerissen haben soll, holte die Direktorin den Schulpsychologen. Er bescheinigte meinem Sohn ohne genauere Untersuchung eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Zudem wurde ich aufgefordert, mit ihm in die Jugendpsychiatrie Rosenhügel zu gehen. Mein Sohn war damals sechs Jahre alt und besuchte die Vorschulklasse der Volksschule Maria-Rekker-Gasse in Wien“, erzählt die Mutter.
Wer der Schulpsychologe war, den sie zur Diagnose des Buben herangezogen hat, daran kann sich die Direktorin Andrea Kurzmann nicht mehr erinnern. „Ich habe dazu keine Unterlagen“, meint sie. Fest steht, durch dessen Einwirken trat das Jugendamt auf den Plan. Damit verlor die Mutter das Obsorgerecht. Sie konnte auch nichts dagegen unternehmen, dass ihr Bub in der Psychiatrie mit Medikamenten ruhiggestellt wurde. Immer wieder, fast drei Jahre lang. Bis ihr der Kragen platzte, weil sie es nicht mehr aushielt, mit welchen Methoden ihr Bub behandelt wurde. Sie wollte ihn von den schweren Medikamenten befreien und holte ihn nach Hause.
„Aber noch am selben Tag standen Polizisten vor meiner Tür und haben mir meinen Christopher wieder entrissen“, erinnert sie sich mit Schrecken an jenen Tag im vorigen November. „Sie nahmen mir mein Kind einfach weg und brachten es ins Heim St. Rafael.“ Der lange Arm der „Jugendwohlfahrt“ hatte zugeschlagen. Dass die Kinder im Heim geprügelt werden, bestreitet die Leitung und von Seiten des Jugendamtes hagelt es Vorwürfe gegen die Mutter. Ihr wird unterstellt, am Borderline-Syndrom zu leiden und ihren Sohn zu instrumentalisieren. „Frau Blümel kämpft mit uns von Anfang an. Sie akzeptiert nicht, dass ihr Sohn nicht mehr bei ihr zu Hause, sondern bei uns ist“, meint die Wiener Jugendamtssprecherin Herta Staffa.
Doch es wäre eine schlechte Mutter, würde sie nicht um ihr Kind kämpfen.
- Um sich mit anderen Eltern zu vernetzen und gemeinsam etwas zu bewegen,
hat Blümel die Experten-Kommission „Für Familie“ gegründet
Betroffene können sich unter 0699/10101166 direkt an sie wenden.
„Eltern sind als Erziehungsberechtigte machtlos, wenn das Jugendamt einmal ,Gefahr in Verzug‘ erkannt hat“, erklärt Blümels Anwalt Alexander Krasser. „Mütter und Väter werden einfach entmündigt. Das Gericht hofiert die Herrschaften von den Jugendheimen geradezu und steht auf deren Seite“, prangert der Jurist an. „In unserem Land werden jährlich 70.000 Kinder den Eltern abgenommen und in Heimen oder psychiatrischen Einrichtungen untergebracht. Betreuungseinrichtungen sprießen wie Schwammerln aus dem Boden und sind sofort wieder rappelvoll mit Kindern.“

Krasser sieht dahinter ein riesiges Geschäft. „Fremd untergebrachte Kinder kosten den Steuerzahler im Monat rund 4.000 Euro. Das ist beinahe schon Kinderhandel. Der Umsatz ist der Erfolg und die Ware sind unsere Kinder. Die Jugendwohlfahrt betreibt gezielt die Entfremdung des Kindes von der eigenen Mutter. Wenn das Kind dann 18 Jahre alt ist und es kein Geld mehr einbringt, wird es auf die Straße ,gespuckt‘ und sich selbst überlassen. Viele Kinder bekommen auch keine gute Schulausbildung in solchen Heimen. Wenn jemand in die Schule gehen will, dann gut, wenn nicht, dann bleibt er halt im Heim. Ich kenne Fälle, in denen die Putzfrau solcher Heime die Hausaufgaben mit den Kindern macht. Meist spricht sie aber nicht einmal Deutsch“, beschreibt Alexander Krasser die Situation.
Schwere Vorwürfe gegen die als Schutzeinrichtung für Kinder eingeführten Heime erhebt auch Elisabeth Kammerlander vom Verein „Victims Mission“. Sie schätzt, dass 95 Prozent der Kinder, die in den Jugendheimen unseres Landes untergebracht sind, ungerechtfertigt abgenommen wurden. „Häufig werden Kinder von sozial schwachen Familien fremduntergebracht. Sie werden mit Polizeigewalt von Schulen, Familien oder anderen Orten abgeholt, wenn das Jugendamt eine Gefahr-in-Verzug-Meldung ausspricht. Solche Meldungen werden durch Unterstellen von Verwahrlosung, Nicht-Ernähren-Können oder Unterstellung sexuellen oder psychischen Missbrauches ,gerechtfertigt‘. Und das, ohne vorher die Sachlage genau zu prüfen. Das darf nicht mehr sein und dagegen kämpfen wir“, sagt Kammerlander.
Es wird ein harter Kampf, weiß der Wiener Kriminalbeamte Josef Neuherz. „Es sind mehr Kinder in Heimen untergebracht, als wir Gefängnisinsassen, derzeit 9.000, haben. Es ist eine große Ungerechtigkeit, die da vor sich geht. Ich kenne einen Fall, da wurde der Mutter direkt im Kreißsaal das Baby abgenommen, ohne dass es dafür einen Grund gab. Eine andere Mutter, die zwar leicht behindert, aber sehr wohl erziehungsfähig war, hat zum Tanzen, ihr Hobby, einen Mann im Internet gesucht. Das Jugendamt hat davon Wind bekommen und sofort wurde ihr das Kind abgenommen. Das Jugendamt bestimmt dann, wann die Mutter das Kind sehen darf. Das kann doch nicht sein“, meint der Kriminalbeamte. Rechtsanwalt Krasser weiß: „Das Jugendamt kann ein Kind innerhalb weniger Stunden der Mutter wegnehmen, bis es die Mutter wieder zurückbekommt, dauert es Jahre.“

Derzeit gibt es in unserem Land mehr als 8.000 Jugendheime. Etwas mehr als die Hälfte davon sind öffentlich, der Rest wird privat geführt. Etwa 800 Heime gehören wie das in die Kritik geratene St. Rafael Kinderheim Religionsgemeinschaften. „Der Vorwurf, dass wir uns finanziell bereichern, geht ins Leere, denn die Unterbringung kostet uns ein Vielfaches von dem, was wir an Zahlungen von den Eltern bekommen“, rechtfertigt sich
Jugendamtssprecherin Staffa. Von dem öffentlichen Geld an die Heime erwähnt sie nichts. Denn die Eltern dürfen ihre Kinder zwar nur selten sehen und werden ihnen daher entfremdet, für Kleidung und andere Aufwendungen müssen die Mütter und Väter freilich zahlen. Dafür sind sie gut genug. In der Entfremdung sieht der Jurist Krasser auch die schlimmsten Folgen für die Kinder. „Das erzeugt Narben an der Kinderseele“, deshalb will er mit aller Vehemenz gegen die Peiniger vorgehen und hat gegen die Betreuerin sowie gegen die Jugendpsychiatrie Rosenhügel Anzeige wegen schwerer Körperverletzung eingebracht.
Auch die Seele der kleinen Lisa-Marie leidet, die ihre Sehnsucht nach der Mama beinahe mit dem Leben bezahlt hätte. Es sind Auswirkungen mit Langzeitfolgen. Der Professorin Isabelle Mansuy von der Universität Zürich (Schweiz) ist jetzt der Nachweis gelungen, dass sich bei missbrauchten, geprügelten und verlassenen Kindern die Gene verändern. „Psychische Schäden werden an die nächsten Generationen weitergegeben.“ fries/morri
Quelle, Ausgabe Nr. 27/2014 vom 01.07.2014: