Strafrecht
Das Ende des Freiwilds
Sexuelle Belästigung soll künftig breiter gefasst werden. Pograpschen ist dann nicht nur lästig, sondern auch strafbar.
Ein Gesetzesentwurf, der sexuelle Belästigungkünftig weiter fasst, erregt die Gemüter. corbisEin Gesetzesentwurf, der sexuelle Belästigungkünftig weiter fasst, erregt die Gemüter. corbis
Wien. „Gott sei Dank wird das verboten. Es ist nämlich alles andere als angenehm, von alten Herren angetätschelt zu werden“, sagt Maria P. Sie arbeitet neben ihrem Studium in einem Wirtshaus. „Als Kellnerin bist du Freiwild.“ Ein Klapser auf dem Po in der Straßenbahn oder eine unerwünschte Hand auf dem Oberschenkel im Lokal gelten derzeit als Kavaliersdelikte, gegen die es keine rechtliche Handhabe gibt.
Ab 2016 könnte sich das ändern. Derzeit sorgt ein Gesetzesentwurf von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, der nun in Begutachtung gegangen ist, für Erregung. Geht es nach dem Frauenministerium, sollen künftig auch unerwünschte Poklapser oder Berührungen unter Strafe gestellt werden. Die Forderung nach einer entsprechenden Reform ist nicht neu. Es gehe vor allem darum, diese Dinge sichtbar zu machen und aufzuzeigen, dass sie sehr wohl strafrechtlich relevant seien, heißt es auf Anfrage der „Wiener Zeitung“ aus dem Frauenministerium.
Sexuelle Belästigung ist schon jetzt strafbar. Allerdings nur, wenn die Geschlechtsorgane betroffen sind. Wer also einer Frau auf die Brüste oder einem Mann in den Schritt greift, kann unter Umständen verurteilt werden. Gegen eine Zunge im Ohr kann man sich allerdings nicht rechtlich zur Wehr setzen. Im Arbeitsrecht, im Disziplinar- und im Polizeirecht ist sexuelle Belästigung mittlerweile sehr genau und breit definiert. Dort kann ein Grapscher vom Chef nämlich sehr wohl juristische Folgen haben. Im privaten Bereich ist das nicht der Fall. Hier sind nämlich laut Gesetz „Geschlechtliche Handlungen an einer Person“ strafbar.
Im neuen Gesetzesentwurf wird dieser Paragraf 218 des Strafgesetzbuches (StGB) nun weiter gefasst und schließt „geschlechtliche oder eine nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung“ mit ein. Wer also künftig trotz eines Neins hingreift, muss mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen oder bis zu sechs Monaten Haft rechnen.
Aus dem Justizministerium heißt es auf Anfrage, man werde die Begutachtungsfrist abwarten und sich dann alle Kritikpunkte ansehen. Und davon gibt es schon jetzt reichlich viele.
Altherrenwitz trifft auf selbstbestimmte Frau
Rund um die Gesetzesreform ist nämlich eine gesellschaftliche Debatte darum entstanden, was Mann noch darf und Frau nicht mehr mitmachen muss. Ein Team-Stronach-Mandatar erzählt im Boulevard, wie er seine Frau nach einem Hinternklaps ehelichte und dass das neue Gesetz künftig Beziehungen unterbinden könnte.
Die Strafrechtsjuristen Helmut Fuchs und Klaus Schwaighofer sprachen sich Anfang der Woche gar gegen eine Ausweitung des Paragrafen 218 aus. Sie bemängeln, dass die Formulierung sehr ungenau sei und unter Umständen sogar „eine Umarmung“ strafbar werde.
Und auch so mancher Mann scheint verunsichert, wie weit er beim Flirten
gehen darf. „Darf ich jetzt zum Beispiel eine Frau antanzen und ihr den Arm um die Schulter legen oder nicht?“, fragt ein junger Mann, der seinen Namen nicht im Kontext mit sexueller Belästigung nennen möchte.
Die Strafrechtsexpertin Katharina Beclin sagt ja. „Wenn ich schon geflirtet habe und sie das erwidert hat, natürlich.“ Sie beruhigt, dass durch die Gesetzesänderung nicht automatisch jede Umarmung und Berührung unter Strafe gestellt wird. Es gehe darum, ein Bewusstsein zu schaffen und Frauen auch eine rechtliche Möglichkeit zu geben, sich gegen unerwünschte sexuelle Annäherungen zu wehren.
„Es weiß jeder sehr gut, was die sexuelle Sphäre ist und was man beim guten Freund nicht mehr machen würde. Mir kommt vor, die Leute haben keine Ahnung, wie man sich sexuell annähert. In 90 Prozent der Fälle ist das ja kein Problem“, meint Beclin. Ein Nein dürfe in solchen Situationen nicht ignoriert werden.
Irene Pfeifer, Verteidigerin in Strafrechtssachen, findet die Ausweitung des Paragrafen dennoch nicht gut. „Wir haben genug Strafen und das Recht wird manchmal von Frauen missbräuchlich verwendet.“ Außerdem sei die Beweisbarkeit von sexueller Belästigung sehr schwierig, vor allem, wenn es keine Zeugen gibt.
Sexuelle Gewalt an Frauen noch immer Thema
Die aktuelle Debatte zeigt auch, wie festgefahren die Rollenklischees beim Thema sexuelle Gewalt sind. Frau ist gleich Opfer und Mann gleich Täter – obwohl auch Männer immer wieder Opfer von Frauengewalt werden. Der Gesetzesentwurf zielt aber auf beide Geschlechter ab. Männer wie Frauen haben damit die gleiche Möglichkeit, sich gegen ungewollte Übergriffe juristisch zur Wehr zu setzen.
Tatsache ist allerdings, dass in erster Linie Frauen Opfer von sexueller Gewalt werden. Laut einer Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung aus dem Jahr 2011 geben drei von vier Frauen an, sexuell belästigt worden zu sein. 20 Prozent der Frauen in Österreich wurden mindestens ein Mal Opfer von schwerer sexueller Gewalt und jede Sechste kann zumindest von einer versuchten Vergewaltigung berichten.
Die meisten Übergriffe kommen aber erst gar nicht zur Anzeige. Aus Scham, aus Angst, den Job zu verlieren oder weil die Täter aus dem eigenen Familien- oder Bekanntenkreis kommen. In Österreich kommt nicht einmal jede zehnte Vergewaltigung zur Anzeige. Und nur jede fünfte Anklage führt tatsächlich zu einer Verurteilung. Oft wird die Klage mangels eindeutiger Beweise fallen gelassen. Im Klartext bedeutet das, dass circa ein Prozent der Täter tatsächlich verurteilt wird.
„Das Ziel dieser Gesetzesänderung ist auch eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Täter“, sagt Beclin. Diese sollen wissen, dass manche Handlungen auch strafrechtliche Folgen haben können. Ziel sei auch die Stärkung der sexuellen Integrität von Frauen. Im Jahr 2013 gab es übrigens 67 Verurteilungen nach Paragraf 218 des StGB – von sexueller Belästigung bis Vergewaltigung.
Von Marina Delcheva, vom 11.04.2015, 08:00 Uhr
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/chronik/?em_cnt=745825
Tags: Feministin – SPÖ – Feminismus – Justizopfer
Warum gibt es noch immer keine Gleichberechtigung
beim Wehrdienst?
ich plädiere dafür, endlich für burschen UND mädchen eine verpflichtende zeitspanne (6 – 12 monate) einzuführen.
es kann sich jeder aussuchen, ob er zum bundesheer geht oder zivildienst macht.
das wäre in zeiten, wo gleichberechtigung immer eingefordert wird, nur gerecht!
Mein Graz, 27.04.2017 um 12:50 Uhr
Lesenswert?
Verpflichtender Grundwehrdienst für Frauen
Ein verpflichtender Grundwehrdienst für Frauen beim österreichischen Bundesherr, wäre auch wichtig um die Lohnschere zu schließen, da diese Zeiten auch bei der Pension angerechnet werden.
😉
leaksmaouse, 03.05.2017 um 09:30 Uhr
Artikel:
Politik – Innenpolitik
Girls‘ Day Mehr Mädchen für das Bundesheer
Ministerien und Betriebe öffnen heute ihre Pforten, um Mädchen für von Männern dominierte Berufe zu gewinnen.
Beim heutigen Girls’ Day stehen junge Frauen im Mittelpunkt. Ministerien, Unternehmen, Betriebe und Hochschulen laden Schülerinnen ab zehn Jahren dazu ein, Ausbildungsberufe und Studiengänge in IT, Handwerk, Naturwissenschaften und Technik kennenzulernen.
Eingeführt wurde der Girls’ Day 2006 vom Frauenministerium. Langfristig soll damit der weiterhin geringe Anteil von Frauen in technischen Berufen erhöht werden. Denn finden sich zwar mehr Frauen in Studienrichtungen wie Veterinärmedizin (ca. 78 Prozent), Geisteswissenschaften (ca. 71) und Bildende und angewandte Kunst (ca. 63), sind es in den Studien Montanistik (ca. 77 Prozent), Technik (ca. 75) und Theologie (ca. 54) deutlich mehr Männer. „Wir sehen, dass Maßnahmen wie der Girls’ Day – langsam, aber sicher – greifen“, erklärt Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ). „Ein Blick auf die Lehrlingsstatistik zeigt, dass seit Jahren auch erstmals ein technischer Beruf unter den zehn beliebtesten Lehrberufen der Mädchen ist – nämlich die Metalltechnik.“
Bei den Mädchen will man heute mit Action punkten. Workshops zu den Themen Wasser und Blitze sowie Experimente mit Säuren sollen Lust auf Technik machen. Und auch das Bundesheer präsentiert sich in der Hoffnung, die Zahl der aktuell 468 Soldatinnen zu steigern. Ausrüstung, Geräte und Abteilungen werden vom Heerespersonal vorgestellt.
Eröffnet wird der „Tag der Mädchen“ aber von einem Mann: Vizekanzler und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner gibt gemeinsam mit der Cern-Direktorin Fabiola Gianotti im Naturhistorischen Museum in Wien den Startschuss.
Von CHRISTINA TRAAR | 05.06 Uhr, 27. April 2017
http://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5207769/Girls-Day_Mehr-Maedchen-fuer-das-Bundesheer
Tags: Männer – Frauen – Wehrdienst Zivildienst Frauentag – Mädchentag – Grundwehrdienst – ÖVP