Die in der Tabelle ausgewiesenen Beträge sind nicht immer identisch mit dem Betrag, den das unterhaltsberechtigte Kind als Unterhalt verlangen kann. Die Berechnung vollzieht sich in mehreren Stufen.
1. Schritt: Bereinigtes Nettoeinkommen feststellen
Ausgangspunkt zur Unterhaltsberechnung ist das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen. Es ergibt sich aus den Gehaltsabrechnungen des Arbeitgebers.
Selbstständige müssen die Steuererklärungen oder Steuerbescheide der letzten drei Jahre vorlegen sowie die Gewinn- und Verlustrechnungen oder Bilanzen der letzten drei Jahre.
- Das unterhaltsrelevante Nettoeinkommen ist nicht mit dem Gehalt oder Einkommen des Unterhaltsberechtigten identisch. Maßgebend ist vielmehr das bereinigte Nettoeinkommen. Dieses ergibt sich daraus, dass der Unterhaltspflichtige berufsbedingte Aufwendungen abziehen darf und teilweise auch ehebedingte Verbindlichkeiten berücksichtigt werden. Auf der Grundlage des sich ergebenden bereinigten Nettoeinkommens erfolgt die Einstufung des Unterhaltspflichtigen in eine der Einkommensstufen 1 bis 10.
- Berufsbedingte Aufwendungen sind von privaten Lebenshaltungskosten abzugrenzen. Zum Ansatz kommen 5% des Nettoeinkommens, mindestens 50 € und höchstens 150 €/Monat. Die Pauschale deckt Arbeitsaufwendungen und Fahrtkosten ab. Erwerbslosen oder Rentnern steht die Pauschale nicht zu. Höhere Aufwendungen sind konkret nachzuweisen.
- Wichtig ist zu wissen, dass die Tabelle für zwei unterhaltsberechtigte Personen ausgelegt ist (also z.B. 2 minderjährige Kinder oder ein gemeinsames Kind und der geschiedene Ehegatte). Gibt es mehr oder weniger als zwei Unterhaltsberechtigte, wird der Unterhaltspflichtige in eine niedrigere oder höhere Einkommensstufe eingestuft. Ist nur ein Kind vorhanden, wird der Unterhaltspflichtige in die nächsthöhere Einkommensstufe eingeordnet. Sind drei Kinder vorhanden, erfolgt die Einstufung eine Einkommensstufe niedriger.
- Die Einkommensstufen enden bei 5.100 €. Höhere Einkommen erfordern eine Einzelfallprüfung.
Expertentipp:
Der Kindesunterhalt wird mit steigendem Einkommen nicht immer weiter erhöht. Es gibt keinen Anspruch des Kindes auf Beteiligung am Luxus, sondern nur auf Finanzierung eines am früheren Lebensstil angepassten Lebensbedarfs. Diesem Lebensstil wird mit dem höchsten Tabellenbetrag ausreichend Rechnung getragen. Die Tabellenbeträge decken die Kosten für Ernährung, Kleidung und Wohnung, Ferien, kulturelle und sportliche Betätigungen, Schulausbildung und Unterrichtsmaterialien sowie ein Taschengeld ab. Ein darüber hinausgehender besonderer Unterhaltsbedarf bedarf einer detaillierten Begründung (BGH FamRZ 2000, 358; OLG Brandenburg Beschl.v.24.11.2011, 9 UF 70/11: Sehhilfe wegen Fehlsichtigkeit ist im Tabellenunterhalt nicht berücksichtig).
2. Schritt: Bestimmung der Altersstufe
Die Tabelle bestimmt drei Altersstufen (hier besteht der Unterhaltsanspruch immer) und eine Bedarfsgruppe für Volljährige (Unterhalt nur unter bestimmten Voraussetzungen):
- Erste Altersstufe: 0. bis vollendetes 5. Lebensjahr
- Zweite Altersstufe: 6. bis vollendetes 11. Lebensjahr
- Dritter Altersstufe 12. bis vollendetes 17. Lebensjahr
- Personen ab 18 Jahren
Der Unterhalt nach der nächsten Altersstufe ist jeweils ab dem Anfang des Monats zu zahlen, in dem das Kind das 6., 12. oder 18. Lebensjahr vollendet (§ 1612a III BGB). Je nach der Einstufung in eine Einkommensstufe und dem Alter der unterhaltsberechtigten Person ergibt sich der betreffende Unterhaltsbetrag in Euro.
Praxisbeispiel:
Bereinigtes Nettoeinkommen: 2.000 €
Alter des Kindes: 14 Jahre
Barunterhaltsanspruch laut Tabelle: 495 € (siehe noch Anrechnung Kindergeld)
Sonderfall: Volljährige Kinder
Der Unterhalt eines volljährigen Studenten, der nicht bei einem Elternteil wohnt, beträgt 735 €. Der Betrag enthält 300 € für die Unterkunft inklusive Nebenkosten und Heizung. Soweit der Student nicht familienkrankenversichert ist, sind Kranken- und Pflegeversicherung sowie Studiengebühren gesondert zu zahlen.
Sonderfall: Auszubildende
Befindet sich ein unterhaltsberechtigtes Kind in der Berufsausbildung und wohnt bei einem Elternteil, wird die Ausbildungsvergütung auf den Unterhaltsbetrag angerechnet. Vorab ist die Ausbildungsvergütung um 90 € zu kürzen.
3. Schritt: Kindergeld einbeziehen
Bei Trennung der Eltern ist nur der betreuende Elternteil kindergeldberechtigt. Das Kindergeld wird daher zur Hälfte auf den Unterhaltsbetrag angerechnet und vermindert den Barbedarf des Kindes (§ 1612b BGB). Bei volljährigen Kindern kommt der gesamte Kindergeldbetrag zur Anrechnung. Das Kindergeld beträgt (Stand 1. Januar 2016):
- 190 € für das erste und zweite Kind
- 196 € für das dritte Kind
- 221 € ab dem vierten Kind
Praxisbeispiel:
Beträgt der Unterhaltsbetrag 386 €, ist das Kindergeld für das erste Kind in Höhe von 190 € zur Hälfte mit 95 € anzurechnen. Es ergibt sich ein Unterhaltsbetrag von noch 291 €.
4. Schritt: Selbstbehalt und Bedarfskontrollbetrag prüfen
Der Unterhaltspflichtige hat Anspruch auf einen Selbstbehalt (Eigenbedarf). Nur wenn seine Existenz gewährleistet ist, kann der Unterhaltsberechtigte erwarten, dass er ihn unterhält.
Der Selbstbehalt beträgt:
- gegenüber minderjährigen ledigen Kindern,
- gegenüber volljährigen ledigen, im Haushalt eines Elternteils lebenden und sich in der Schulausbildung befindlichen Kindern bis Vollendung des 21. Lebensjahres:
- bei nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen: 880 €/Monat
- bei erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen: 1.080 €/Monat
- bei volljährigen Kindern: 1.300 €
Die Selbstbehalte beinhalten 380 € Unterkunftskosten (inkl. Nebenkosten und Heizung). Bei volljährigen Kindern sind es 480 €. Nachgewiesene und angemessene höhere Wohnkosten erhöhen den Selbstbehalt.
Der in der Tabelle ausgewiesene Bedarfskontrollbetrag ist nur in der Einkommensstufe 1 bis 1.500 € Einkommen mit dem Selbstbehalt identisch. Ab der Stufe 2 sind die Bedarfskontrollbeträge höher. Sinn ist es, das Einkommen ausgewogen zwischen den unterhaltspflichtigen und unterhaltsberechtigten Parteien zu verteilen. Bei Unterschreitung des Bedarfskontrollbetrages ist die nächstniedrigere Einkommensgruppe maßgebend.
Problem: Mangelberechnung
Gibt es mehrere unterhaltsberechtigte Personen, kommt es häufig vor, dass das Einkommen des Unterhaltspflichtigen unter Einbeziehung seines Selbstbehalts nicht ausreicht, um alle Unterhaltsansprüche vollumfänglich zu bedienen. In einem solchen Mangelfall werden Unterhaltsansprüche nach einer Rangfolge befriedigt (§ 1609 BGB). Gleichrangige Ansprüche sind im Verhältnis ihrer jeweiligen Tabellenbeträge gleichmäßig zu befriedigen.
Vorrangig kommen minderjährige Kinder und Kinder zwischen 18 und 21 Jahren, die sich in der Schulausbildung befinden und im Haushalt eines Elternteils leben (sog. volljährige privilegierte Kinder) zum Zuge. Ihre Unterhaltsansprüche sind vorrangig gegenüber denen des anderen Ehepartners zu bedienen (einfacher Mangelfall). Der im Rang nachfolgende Ehepartner erhält das, was übrig bleibt oder geht leer aus. Kann der Unterhaltspflichtige noch nicht einmal den Mindestunterhalt leisten, liegt ein absoluter Mangelfall vor.
Expertentipp:
Geht der Unterhaltspflichtige eine neue Beziehung ein, aus der ein gemeinsames Kind hervorgeht, hat dieses Kind keinen Vorrang gegenüber den Kindern aus der früheren Beziehung. Der Unterhaltsbetrag, den der Unterhaltspflichtige leisten kann, wird anteilig auf alle Kinder verteilt.
Sonderfall: Sonderbedarf
Der Bedarf eines Kindes ist mit dem Betreuungsunterhalt und dem Barunterhalt abgegolten. Weitergehende Unterhaltsansprüche können sich ergeben als:
- Sonderbedarf nach § 1613 Abs. II BGB = außergewöhnlich hohe Kosten, die nicht regelmäßig und meist unvorhersehbar anfallen (kieferorthopädische Behandlung).
- Mehrbedarf nach § 1610 Abs. II BGB = regelmäßig laufende Mehraufwendungen im Interesse des Kindes (Kindergartenbeiträge)