„Lebenslange Wunde“ – Die vaterlose Gesellschaft

„Lebenslange Wunde“ Was ein abwesender Vater für ein Kind bedeuten kann

Trauriges Mädchen Schulkind

„Wo ist Papa?“ Die Bedeutung von Vätern beziehungsweise väterlichen Vorbildern für die Entwicklung von Kindern wurde lange unterschätzt.

Foto: imago/Westend61

„Wenn der leibliche Vater aus dem Leben eines Mädchens oder eines Jungens verschwindet oder herausdrängt, hinterlässt er eine Wunde, die niemand schließen kann und die zeitlebens blutet“, schreibt die Betroffene Jeannette Hagen. In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Die verletzte Tochter“ macht sie deutlich, wie der abwesende Vater ihr Leben bestimmte.

Buchcover: Die verletzte Tochter

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Foto: Scorpio Verlag

„Wie oft habe ich heimlich geweint, wenn ich miterlebte, wie ein Vater seiner Tochter mit Verständnis und Liebe begegnete oder sie ermutigte, tapfer ihren Weg zu gehen.“ Dabei hat Hagens Vater sie verleumdet und offen abgelehnt, was schließlich dazu führte, dass sie ihre eigene Existenz anzweifelte. Die Folge: „Depressionen, Selbstverletzung, Selbstmordgedanken.“

Die Deutschen – eine väterlose Nation

Jeannette Hagen, die schließlich auch von ihrem Stiefvater verlassen wird, hat eine außergewöhnliche Geschichte, doch die Abwesenheit des Vaters betrifft sehr viele Menschen. „In den letzten hundert Jahren haben funktionale Vätervorbilder in Deutschland gefehlt“, sagt Professor Matthias Franz, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Neurologie und Psychiatrie am Universitätsklinikum in Düsseldorf. Franz beschreibt in seinen wissenschaftlichen Arbeiten ein „väterliches Defizit“ in unserer Gesellschaft.

Generationen von Kindern sind ohne Vater aufgewachsen

Während und nach dem ersten und zweiten Weltkrieg sind Generationen von Kindern ohne Vater aufgewachsen, weil er gefallen oder verschollen war. Die vielarbeitenden Väter der Wirtschaftswunderzeit waren nur selten zu Hause und für ihre Kinder oft auch keine engen Bezugspersonen. Und heute? „Die Zahl der Kinder, die heute wegen einer Trennung ohne Vater aufwachsen, steigt seit Jahrzehnten kontinuierlich“, sagt Franz, der von einer „neuen Väterlosigkeit“ spricht.

Das alte Rollenmodell fördert die Abwesenheit des Vaters

Hinzu kommt: Das alte Rollenmodell, das den Vater als Versorger und Ernährer der Familie vorsieht, ist weiterhin stabil: 95 Prozent der Väter zwischen Mitte 20 und Anfang 60 arbeiten Franz zufolge Vollzeit, während es bei den Müttern nur etwa 30 Prozent sind. Das heißt: Selbst wenn die Eltern sich nicht getrennt haben, ist der Vater auch heute noch während der Arbeitswoche oft abwesend. Und Väter, die in Elternzeit gehen, sind nach wie vor Exoten.

vaterlose Gesellschaft

Mit Papa die Welt entdecken: Durch den Vater lernen die Kinder, dass es eine Universum jenseits der Mutter-Kind-Symbiose gibt.

Foto: dpa

Je früher die Eltern sich trennen, desto schlimmer

„Wenn Sie ein Kind fragen, was das Wichtigste für es ist, dann antwortet es in der Regel „Mama und Papa“, so Franz. „Wenn einer von beiden nicht mehr da ist, kommt das besonders für ein kleines Kind einem Weltuntergang gleich“, erklärt der Stellvertretende Direktor des Klinischen Instituts für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Uniklinikums Düsseldorf. „Da wird das Urvertrauen erschüttert“, sagt Franz. „Diese kindliche Perspektive wird von Erwachsenen aber oft nicht wirklich nachvollzogen“, so Franz. „Je früher die Eltern sich trennen, desto höher das Risiko für die Entwicklung des Kindes.“

„Der Vater ist eigentlich unersetzlich“

Der Vater sei „eigentlich unersetzlich“, sagt Franz, „bei der Mutter finden wir das selbstverständlich, für den Vater muss man das offensichtlich begründen“, stellt der Wissenschaftler fest. Zu Beginn, im ersten Lebensjahr, sei er ausgesprochen wichtig, um die Beziehung zwischen Mutter und Säugling zu stabilisieren. „Der mitfühlende Vater kann sich an der engen Beziehung der beiden erfreuen und sie fördern, ohne eifersüchtig auf das Kind zu sein.“ Gleichzeitig könne er die Mutter unterstützen, damit sie sich voll auf ihr Kind konzentrieren kann. Kinder verinnerlichen so in dieser ersten Phase auch mithilfe des Vaters, dass es nicht schlimm ist, auf die Mutter angewiesen zu sein: Sie lernen Abhängigkeit, ohne Angst zu erleben, eine Voraussetzung für die Entwicklung eines sicheren Bindungsmusters und des Urvertrauens.

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Mama ist wichtig – aber Papa auch.

Foto: dpa-tmn

Kinder lösen sich mithilfe des Vaters von der Mutter

Im zweiten Lebensjahr hat der Vater ebenfalls eine herausragende Rolle: „In dieser Zeit entdecken Kinder die Welt, sie lernen laufen und sprechen“, so Franz. Die Entdeckung der Dreiecksbeziehung Vater-Mutter-Kind sei in dieser Phase entscheidend. „Der Vater nimmt das Kind auf den Arm, zeigt ihm den Weg weg von der Mutter und hilft bei der Erkundung der Welt. Das Kind erkennt, dass das in Ordnung ist, dass es die Trennung von der Mutter und die besonders gegen Ende des zweiten Lebensjahres damit einhergehenden Ängste und Wutzustände überlebt.“ Das heißt, die Kinder lösen sich mithilfe des Vaters von der bis dahin „übermächtigen“ Mutter. Das Kind lernt mit seiner Hilfe selbstständig zu werden, ohne sich vor der Welt oder der Trennung von der Mutter zu fürchten.

Jungen lernen von ihren Vätern den Umgang mit Frauen

Im dritten und vierten Lebensjahr schließlich festigt sich die kindliche sexuelle Identität, indem Kinder miteinander und mit der Mutter und dem Vater Rollenspiele eingehen. Mädchen umwerben in dieser Zeit häufig ihren Vater, Jungen wiederum ihre Mutter. Jungen lernen von ihren Vätern außerdem, wie sie mit Frauen umngehen oder wie sie Krisen bewältigen.

In Regenbogenfamilien übernimmt oft eines der Elternteile die Vater- oder die Mutterrolle. Häufig bleibt zusätzlich auch der Kontakt zum leiblichen Vater oder der leiblichen Mutter. Väter und Mütter können sich in vielen verschiedenen Familienkonstellationen um ihren Nachwuchs kümmern – Hauptsache ist, sie sind für ihre Kinder da.

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Zeit mit Papa – in vielen Familien immer noch viel zu selten.

Foto: imago/Westend61

„Dein Vater ist der Schlechteste von allen Männern“

Dabei löst nicht jeder abwesende Vater das gleiche aus: „Wenn der Vater etwa verstorben ist, die Mutter aber positiv an ihn gebunden ist und an ihn erinnert, indem sie um ihn weint oder schöne Anekdoten erzählt, können Kinder trotzdem von ihr ein positives Vaterbild verinnerlichen“, erklärt Franz. Wenn die durch die Trennung gekränkte oder verletzte Mutter allerdings Männer im Allgemeinen und den Vater „als den Schlechtesten von allen“ verteufele, werde es schwierig. „Dieser Loyalitätskonflikt kann gerade für Jungen unlösbar sein“, sagt Franz, „weil es für sie schwierig wird, eine integrierte männliche Identität, ohne einen anhaltenden Groll auf die Mutter – und später vielleicht die Partnerin – zu entwickeln.“

Der Wissenschaftler rät Eltern bei einer Trennung, Konflikte zwischen Vater und Mutter möglichst aus ihrer Beziehung zum Kind herauszuhalten. „Wenn vonseiten des Kindes der Wunsch da ist, Zeit mit dem Vater zu verbringen, sollte das möglich sein“, erklärt Franz, dessen Ratgeber „Alleinerziehend, selbstbewusst und stark“ Ende März erscheint. Eltern sollten, falls nötig, ihre trennungsbedingten Verletzungen, durch eine Therapie behandeln lassen. Speziell für Alleinerziehende hat Franz zusammen mit anderen Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Düsseldorf das Elterntraining „Wir2“ entwickelt, das helfen soll, den Paarkonflikt von der gemeinsamen Elternverantwortung zu trennen.

Buchcover: Alleinerziehend

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Foto: Verlag fischer & gann

„Leih-Väter“ suchen

Doch was tun, wenn auf dem Blatt Papier, auf dem andere Kinder ihre Väter zeichnen , nun einmal eine große weiße Lücke klafft – wenn der Vater im Leben des Kindes vollkommen abwesend ist? Mütter sollten sich dann laut Franz aktiv auf die Suche nach männlichen Identifikationsfiguren machen. Das Problem: Auch in Kindergärten und Grundschulen fehlen männliche Bezugspersonen, an denen sich Kinder orientieren könnten. Dennoch sollten Mütter die Suche nicht aufgeben: „Als Leih-Vater eignet sich zum Beispiel auch der Fußballtrainer oder der liebevolle Großvater“, so der Psychoanalytiker. Fest stehe: „Mit einem positiv verinnerlichten väterlichen Vorbild können sich Kinder viel besser entwickeln.“ (dmn)

Zum Weiterlesen:

Matthias Franz: Alleinerziehend – selbstbewusst und stark, Fischer & Gann, 160 Seiten, 15,99 Euro.

Jeannette Hagen: Die Verletzte Tochter – Wie Vaterentbehrung das Leben prägt, Scorpio, 229 Seiten, 16,99 Euro.

, Der Text wurde am 11.Mai 2017 angepasst und leicht erweitert.
https://www.berliner-zeitung.de/familie/was-ein-abwesender-vater-fuer-ein-kind-bedeutet-sote-23615762
Tags: Mobbing – Gleichberechtigung Gleichstellung – Familie- Familienrecht – Menschenrechtsverletzung – Obsorge – Sorgerecht – gemeinsame – elterliche Sorge – PAS Eltern-Kind-Entfremdung – Kindes-Entfremdung – PA parental alienation – Eltern Entfremdung
PAS – Selbstmord – Suizide – Freitod

5 Gedanken zu “„Lebenslange Wunde“ – Die vaterlose Gesellschaft

  1. Hallo, erstmal. Ich bin Mutter von 4 Kindern und mittlerweile auch schon Großmutter.
    Meine Kinder haben jeweils einen eigenen Vater. Von meinem ersten Mann trennte ich mich, als ich erfuhr, er hatte mich in der Nacht nach der Geburt unseres Sohnes betrogen. Er erklärte mir damals, die überschäumende Freude über die Geburt unseres Wunschkindes, hätte ihn dazu geführt. Er war meine große Liebe und ich war die seine. Ich war 17 Jahre alt, als wir uns kennengelernt haben, er war 7 Jahre älter als ich. Vom Kopf her, könnte ich ihn verstehen, er war ein so wundervoller Vater, alleine schon in der Schwangerschaft. Er trug mich auf Händen, wie man so sagt. Unsere Liebe erlebten wir als Gott gewollt, als Wunder. Am Abend bevor ich schwanger wurde, waren wir ausgegangen ein romantisches kleines Weinlokal. Über unsere Gläser hinweg hatte er mich angesehen und die Worte geflüstert:“Der Geist unseres Kindes ist jetzt da, lass uns gehen!“ Es war September und immer noch warm, und somit suchten und fanden ein ungestörtes Plätzchen im Speicher des Nachbarhauses.
    Damals zinogen wir umher, wir hatten keine Wohnung, er studierte und ich konnte in einem kleinen Laden. Sehr bald fanden wir eine kleine Wohnung. Nach der Geburt unseres Sohnes, war unser Glück vollkommen. Acht Monate später, konnte er seine Gewissenslast nicht mehr allein tragen, und er beichtete unter Weinen seine Tat, sein Verbrechen an unserer Liebe. Letztlich trennte ich mich, unter Schmerzen von ihm, weil alles,was heilig gewesen war, unwiederbringlich verloren gegangen war.
    Ich zog unser Kind ab nun alleine auf. Bis unser Sohn 6 Jahre alt war. Da suchte ich nach all den Jahren das Gespräch mit meinem Ex Mann . Ich sah, dass mein Sohn dringend SEINEN Vater braucht.
    Mittlerweile hatte ich einen neuen Partner, der auch ein guter und lieber Ersatzpapa geworden war. Jedoch stellte sich mit der Zeit heraus, dass selbst der beste Ersatzpapa den wahren Vater nicht ersetzen können kann. Der Instinkt, den nur die echten Eltern besitzen, fehlte und deshalb blieb ein Winkel in der Seele meines Kindes unberührt. Ein Winkel, der die Nahrungsaufnahme für geistig, menschliche Entwicklung darstellt. Wir kamen überein, ab nun unseren Sohn gemeinsam zu erziehen.
    Mario bekam den Schlüssel zu beiden Wohnungen und bewegte sich hin und her. Mit meinem neuen Mann hatte ich inzwischen auch ein Kind. Am schwierigsten war es die beiden Männer die Konkurrenz Gedanken abzugewöhnen. Als Eltern fungierten wir natürlich auch gemeinsam. Feste feierten wir zusammen, Unternehmungen machten wir gemeinsam. In der Schule war mein Ex Elternbeirat.
    Interessant dabei ist, damals gab es noch kein gemeinsames Sorgerecht. Trotzdem und ohne das es ein Schriftstück gegeben hatte, akzeptierte die Schule die Vaterschaft. Er hatte sogar den Sohn in der Schule angemeldet. Mein zweiter Mann starb als unser Kind vier Jahre alt war. Mein erster Mann Vertrag keinen schrägen Gedanken, er übernahm die Vaterschaft auch für kleinen Bruder unseres Sohnes. Er unterstützte uns auch finanziell, je nachdem, wie es seine wirtschaftliche Lage es zuließ.
    Regelmäßig gab es keinen Unterhalt, aber darauf kam es mir auch nicht an. Ich vertraute seiner Vater liebe. Ich bin heute felsenfest davon überzeugt, dass die Mutter nach Hause zu den Kindern gehört. Männer sind anders gestrickt und sind genetisch bedingt,eher für das große Ganze zuständig, die Frauen eher für den alltäglichen Kleinkram. Beides gehört zusammen und eines ist ohne das andere unvollständig. Kinder gehören nicht den ganzen Tag in Kitas. Dort bekommen sie nämlich nicht, was eben nur die Familie gibt. Ich sehe es jeden Tag,wie irre die neue Mode ist.
    Wenn man Kinder hat, tragen Mutter und Vater Verantwortung, die nicht ersetzbar ist.
    Es ist ein Zeichen von unserer Liebe losen Zeit, von unserer Gottlosen Zeit, dass die Familie so degradiert existiert. Degradierte Familien sind das Brot für Sozialpädagoge und ihr Gefolge.
    Es zeigt nur wie krank unsere Gesellschaft ist. Mein Sohn ist kürzlich 40 Jahre alt geworden. Er hat selbst 2 Kinder, und lebt aus Überzeugung das traditionelle Familien Bild. Obgleich meine Schwiegertochter studiert hat, ist sie daheim. Wer Kinder möchte , muss sich entscheiden. Man weiß nie, was das Leben noch bereit hält. Kinder ohne Vater aufwachsen lassen, ist genauso ein Verbrechen wie Kinder länger als halbe Tage in Kitas abzuschieben. Unsere Flüchtlinge machen es uns vor. Da zählt die Familie. Schneiden wir uns mal eine fette Scheibe ab!!!
    Liebe Grüße. Kara

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  2. I think the bigger problem is that Legal systems dont actually do enough to promote the importance of biological parents (mother and father) in the lives of children, in some countries, such as Austria, they actually give greater importance to the legal parent – there is a big difference.
    Having fought for years to be part of my daughter life, I still find myself, here, over 4 years since her birth, with only hope that he legal system will stick to its guns, and do what the supreme court has orderd.

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  3. Ein passender Artikel, allerdings widerspreche ich der Aussage, dass ein 100% arbeitstätiger Vater nicht Zeit mit seinem Kind verbringen kann. Ich habe es durchgerechnet, da es von der Gegenseite gerne als Argument benutzt wird, um zu rechtfertigen, warum wir Trennungsväter unsere Kinder maximal ein Wochenende alle zwei Wochen sehen können sollen:

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