Kinder werden aus Kindergarten geworfen
Weil Eltern Beiträge schulden, wurden
heuer schon mehrere Kinder aus Kindergärten
der Stadt Salzburg „geworfen“.
Rund 360 Kinder, die städtische Kindergärten besuchen, stehen jeden Monat auf der Mahnliste des Magistrats Salzburg.
Ihre Eltern zahlen den Kindergartenbeitrag nicht zeitgerecht. Viele stecken in Schulden oder in anderen Problemen.
Im Magistrat ist man bestrebt, dass Eltern Abbuchungsaufträge einrichten – andernfalls als letzte Konsequenz bei Nichtzahlung der Ausschluss aus dem Kindergarten drohe.
„Wo bleibt die soziale Integration von Kindern, wenn man sie aus Geldgründen
aus dem Kindergarten wirft?“, ist ein Vater empört.
Er bekam im Kindergarten eine „schwarze Liste“ in die Hände. Tatsächlich wurden heuer schon mehrere Kinder aus diesen Gründen nach Hause „abgeschoben“.
DASS DIE KINDERGARTENRECHNUNGEN auf den Garderoben-Kistchen (Bild) angeklebt werden, soll sich bald ändern, heißt es beim Magistrat. Die Rechnungen hängen dort oft erst zwei Tage vor Ende der Zahlungsfrist.
Die Stadt Salzburg exekutiert, was in der städtischen Kindergartenordnung festgeschrieben ist: Wenn Eltern nicht zahlen, muss das Kind gehen. „Aber was kann ein Kind für seine Eltern?“, fragen Kritiker empört.
Eigentlich sollte Michael R. (alle Namen geändert) nichts von dieser Liste wissen. Doch sie hing versehentlich in der Kindergarten- Garderobe aus. „Familie T.:
Zahlungsfrist bis …, ansonsten droht Abmeldung.
Familie M.: muss Abbucher einrichten, ansonsten Kindergartenbesuch nur noch am Vormittag …“ Die Liste ist lang. Dass ein Kind nur noch am Vormittag, nicht aber beim Essen und am Nachmittag im Kindergarten sein darf, betrifft jene Kinder, die im Herbst in die Schule kommen. Sie sind im „Kindergarten-Pflichtjahr“, können also vom Magistrat nicht komplett abgemeldet werden. Jüngere Kinder dagegen schon. „Das darf doch nicht wahr sein, dass eine reiche Stadt wie Salzburg einfach Kinder aus dem Kindergarten wirft“, ärgert sich Michael R.
Ein Schuss nach hinten „Schrecklich“, findet so eine Praxis auch Familienlandesrätin Tina Widmann (ÖVP). Es sei nicht einzusehen, warum ein kleines Kind ausbaden müsse, was die Eltern ihm eingebrockt haben. Widmann: „Solche Schüsse gehen nach hinten los.
Dann wird der Zorn am Kind ausgelassen.“ Dass in der Stadt Salzburg in Sachen Kleinkinderbetreuung
(Ressort Vizebürgermeister Martin Panosch, SPÖ) so manches eigenwillig läuft, hört man übrigens aus vielen Ecken.
„Sind keine schwierigen Familien“
Die Stadt steht zu den Ausschlüssen. Bei einer „einstelligen Anzahl“ an Kindern im Jahr habe man wegen
ausbleibender Beitragszahlungen keine Wahl: Das Amt meldet sie vom Kindergarten ab. Das bestätigt Jutta
Kodat, Leiterin des Amtes für Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen auf SF-Anfrage. Die Kritik weist Kodat zurück. „Die Kinder, die wir zurück zu ihren Eltern schicken, kommen nicht aus schwierigen Familien“, so Kodat. Manche hätten abstruse Ausreden, warum sie nicht zahlen, andere sogar ein Au- Pair-Mädchen zuhause. Man spreche sich genau mit dem Jugendamt ab, ob das Kindeswohl gewährleistet sei, so Kodat.
Ein Argument, das erfahrene Kindergartenpädagoginnen nicht glauben.
Gerade gebe es wieder einen Fall, wo der Ausschluss bevorsteht, obwohl für das Kind der Besuch des Kindergartens sehr wichtig wäre.
Exekutionen oft schwierig
Um die 360 Kinder hat der Magistrat Salzburg regelmäßig auf seiner Mahnliste. Die Gründe sind vielfältig.
Viele Mütter und Väter haben Probleme, nicht nur mit Geld. Viele beantragen keine Ermäßigung, obwohl
sie das könnten, heißt es beim Magistrat. Exekutionen seien oft schwierig. Wird als Zahlungspflichtige
die Mutter angegeben und die ist Hausfrau, hat sie kein Einkommen und kann daher nicht exekutiert
werden. Manche Familien haben „Altlasten“ bis zu 2.000 Euro. Nötig seien Abbuchungsaufträge, findet
Amtsleiterin Jutta Kodat. Bevor man die zur Pflicht machen kann, müsste erst der Gemeinderat die Kindergartenordnung ändern.
Reformbedürftiges System
Dringend reformbedürftig ist das System, wie derzeit Geld eingetrieben wird: Damit die Stadt kein Porto
für die Kindergartenrechnungen zahlen muss, werden diese im Paket in den Kindergarten geliefert und dann von den Pädagoginnen mit Tixostreifen auf die Garderoben-Kistchen der Kinder gepickt. Nebenbei sollen sie säumige Eltern zum Einrichten eines Abbuchungsauftrages überreden.
Eine peinliche Angelegenheit neben sich an- und ausziehenden Kindern und anderen Müttern und Vätern.
Mit diesem alten Modus soll bald Schluss sein, heißt es aus dem Magistrat.
Dass die Rechnungen an die einzelnen Familien gesendet werden, sei derzeit noch eine Budgetfrage.
Zumindest die „Elterngespräche“ übernimmt jetzt das Amt. „Eine Mitarbeiterin ruft alle Eltern an, die nicht fristgerecht zahlen“, erklärt Jutta Kodat.
Manche Eltern pfeifen aufs Zahlen
Es gibt auch Eltern, die zahlen könnten, es aber einfach nicht tun. Wenn ihnen vom Amt angeboten
wird, ihre Schulden wenigstens in Zehn-Euro-Etappen abzuzahlen, nehmen sie nicht einmal dieses Angebot an. „Da fehlt jeglicher Zahlungswille“, weiß man im Amt.
Manchmal scheint unklar, ob eine Familie für die Betreuung ihrer Kinder nicht zahlen kann oder will. Spätestens wenn die Eltern mit einem schicken nagelneuen Auto direkt vorm Kindergarten vorfahren, bekommt so manche Kindergartenleiterin Klarheit. „In solchen Fällen versuche ich nicht mehr zu vermitteln, das ist sinnlos“, sagt eine von ihnen.
20.3.2013 – Quelle:
http://www.salzburger-fenster.at
Sabine Tschalyj